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Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.11.2019: https://www.ksta.de/koeln/die-wahren-entfesselungskuenstler-33521212

Die wahren Entfesselungskünstler

von Jürgen Kisters

Ehrenfeld – Um Beat und Pop-Kultur geht es in der Ausstellung, die der Künstler Friedrich Haupt in der Galerie Eyegenart auf die Wände gebracht hat. Doch nicht allein Pop-Art als künstlerischer Stil ist das Thema, sondern Pop als Ausdruck einer ästhetischen und kulturellen Bewegung, die für eine bestimmte Zeit ab dem Ende der 1960er-Jahre für ein neues Lebensgefühl stand. Gegenkultur nannte man das damals, und sie erfasste visuelle bildnerische Formen ebenso wie neue Klänge in der Musik und ein anderes, freieres Sexualverhalten.

Dass in den westlichen Konsumgesellschaften Amerikas und Europas schnell eine Mode und ein Geschäft daraus wurden, änderte zunächst einmal nichts an der gleichermaßen kritischen und belebenden Kraft der Pop-Kultur. Die mit kraftvollen Farben und prägnanten Figuren bemalten Leinwände Haupts zeigen die Vielfalt der kulturellen und politischen Aspekte, die seinerzeit nicht nur einzelne junge Menschen, sondern die westlichen Gesellschaften als Ganzes inspirierten. Heutzutage wird fast nur noch der Begriff Ikone verwendet, wenn von William Burroughs, Jack Kerouac, Jim Morrison oder Jimi Hendrix die Rede ist. Für Haupt dagegen sind sie schlicht „Quellen der Inspiration“. Hendrix, dessen begnadete Gitarrensoli die Körper nicht weniger junger Leute entfesselten, ist gleich eine ganz Wand gewidmet. Und Kerouac, dessen atemlos-assoziativer Schreibstil des Romans „On the road“ unzählige Leser und Schriftsteller seit Mitte der 1950er-Jahre beflügelte, blickt uns gleichfalls von mehreren Bildern entgegen. Einige sind im Stil der schwarzen Silhouettendarstellungen gemalt, die Andy Warhol zum Markenzeichen poppiger Einfachheit und Klarheit machte.

Der gebürtige Bielefelder Haupt (Jahrgang 1940), der seit langem in Köln lebt, greift in Porträts und komplexeren Kompositionen vieles auf, was, ausgehend von den USA, den großen kulturellen Aufbruch zwischen radikaler Selbstsuche und politischen Protest seit Ende der 1960er-Jahre kennzeichnete. Mehr noch, er geht sogar in die Zeit davor zurück, als sich der neue Lebensstil vor allem durch das unkonventionelle Verhalten von Schriftstellern vorbereitete. So zeigt er Henry Miller als einen Autoren, der mit ungezwungener Schreibweise die bestehende bürgerliche Sexual- und Arbeitsmoral gleichermaßen spielerisch und ernsthaft attackierte und in Aufregung versetzte.

Seine Bücher wurden eine ganze Weile nur unter dem Ladentisch gehandelt. Und er erinnert mit Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William Burroughs an die Bedeutung der sogenannten Beatniks in ihrem Mut, seit den 1940er-Jahren ein Leben jenseits konventioneller Pfade zu entwickeln. Ein Gemälde von Lou Reed und einer Frau mit langen blonden Haaren lässt uns an die Geschichte der gebürtigen Kölnerin Christa Päffgen denken, die als Model und Sängerin Nico mit der Rockgruppe Velvet Underground Weltruhm erlangte, um später an ihrem Heroinkonsum zu sterben.

Alles, was Friedrich Haupt in seiner Ausstellung präsentiert, hat Bezüge zu seinem eigenen Leben. Die Empörung über den Vietnamkrieg hat seine Empfindlichkeit gegenüber aller Gewalt, die Menschen Menschen antun, ein für allemal geschärft. So enthält die Ausstellung bei aller Tendenz zum Rückblick auch aktuelle bildliche Stellungnahmen zum Militarismus in der gegenwärtigen Welt.

Mit einem fotografischen Selbstporträt, Ende der 1968-Jahre aufgenommen am Strand in Kalifornien, bringt Haupt auch sich selbst als Träger von Geschichte ins Bild. Das Foto zeigt ihn als Vertreter jener sehnsüchtigen Generation junger Menschen, die an die Kraft und Leichtigkeit von Musik, bildender Kunst und politischer Aktion glaubten. Nachdem er eine Weile freier Künstler tätig war, nahm er im Jahr 1968 eine Stelle als Kunsterzieher an.

Einige seiner ehemaligen Schüler, die er in fast vier Jahrzehnten im Gymnasium Kreuzgasse unterrichtete, kamen zur Ausstellungseröffnung. Sie waren begeistert von der künstlerischen Konsequenz ihres Kunstlehrers. „Er hat unser Verständnis von Kunst nachhaltig geprägt,“ sagten sie in Gesprächen des Abends. Mit der Ausstellung und dem Titel „The Beat goes on“ verfolgt Haupt allerdings keine nostalgische Absicht. Vielmehr will er helfen, den alten Geist der Beatniks und der frühen Popkultur, ihre Ideen für die Bestimmung von Freiheit, Kritikfähigkeit und Widerstandsbereitschaft wach zu halten.

Galerie Eyegenart, Rothehausstraße 14, geöffnet Di-Do 17-20 Uhr, bis 28. November. Zur Finissage der Ausstellung präsentiert der Düsseldorfer Autor, Maler, Bildhauer und Performer Ralf Buchholz am Donnerstag, 28. November, 19 Uhr, in der Galerie die Lesung „Das Beste von Bukowski“.Der Eintritt ist frei.

Kölnische Rundschau 25.07.2019

Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 12.02.2019